Hallo!

Es ist Mitte Oktober statt Anfang April und ich bin froh, dass mein Commitment für 2023 nicht "4x / Jahr Newsletter schreiben" sondern "freundlich mit mir selbst sein" ist (siehe Newsletter Nr. 1)!

Im Sommer war ich mit einer Freundin in Neuruppin / Brandenburg. Toller See, hübsche Stadt - und sie hat ein Mietshäusersyndikatsprojekt, das gleichzeitig linkes Jugendzentrum ist. Hier lag die Postkarte aus, auf der "Mut ist ein Muskel" steht. Sie kommt von "Radikale Töchter" und die Aussage hat mich direkt gepackt. Nicht nur, weil sie mich an meinen zusammengenommenen Mut für den Sprung aus dem Klüvernetz wenige Wochen vorher (s.u.) erinnert hat - seit Jahren gebe ich Argumentationstrainings gegen rechte Parolen und immer wieder denke ich: Demokratie braucht vor allem den Mut, den Mund aufzumachen und dem Toleranz-Paradoxon entgegenzuwirken.

Dieses Mal möchte ich dir / euch von einigen feministischen Frühjahrs- und Sommerinspirationen berichten, auf kommende Seminare hinweisen und endlich das neue Buch einer Kollegin vorstellen – sowie meinen langjährigen Lieblingspodcast!

Ich wünsche uns Mut zur Solidarität und differenzierte, kritische Haltungen in dieser immer populistischeren Zeit.

Alles Liebe.

Joel

P.S.: Hast du Rückmeldungen und Resonanzen zum Newsletter? Schreib mir gern!

Inspirierend feministisch

Ich richte mein Jahr auf Freundlichkeit aus und dann geht es ganz viel um Feminismus? Ich würde sagen, das passt. Zur Freundlichkeit gesellt sich nun die Frage, wie das Patriarchat überwunden werden kann.

FLINTA* steht übrigens für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche Menschen, nichtbinäre Menschen, transgeschlechtliche Menschen und Agender-Menschen - und das Sternchen für weitere, nicht benannte Identitäten.

Kabarett  

Der Frühling war geprägt von Gesprächen darüber, auf welche Weise das Patriarchat betrifft und beschädigt, wie wir in einer patriarchal geprägten Welt aktiv sind und Gesellschaft gestalten und über die Klimakrise, Demokratie und Populismus, Kapitalismusprobleme etc.

Ein Frühlingshighlight war an Himmelfahrt das feministische politisch-poetische Kabarett von Sunna Huygen: ihr neues Programm "Ozeanzeit" solltet ihr euch unbedingt anschauen, wenn Sunna das nächste Mal in eurer Nähe auftritt.

Segeln

Im Juli habe ich an einem Segeltörn auf dem Traditionssegler „Lovis“ teilgenommen. Wir waren 26 erwachsene FLINTA* und ein Kind und hatten zehn intensive Tage an Bord, im Wasser und an Land. Auch hier haben wir uns über unseren Aktivismus  und darüber, was uns im Leben Kraft gibt. Wir haben von Women in Exile gehört und von Hausprojekten, von internationalen Kooperativen und von Stadtteilarbeit. Die Überwindung des Patriarchats war ein wiederkehrendes Thema und ich bin dankbar, dass meine erste Segelerfahrung in einem FLINTA*-Setting stattfand - und dass ich mich nach einigem Zaudern doch getraut habe, vom Klüvernetz zu springen!

Rassismus-Reflexion

Im August war ich bei einem Workshop mit Tsepo Bollwinkel in Brandenburg. Der Workshop hieß „Binaritäten & Begehren“ und richtete sich an weiß positionierte Menschen, die sich schon intensiver mit Rassismus auseinandergesetzt haben. Wir waren 19 Teilnehmende, davon 17 FLINTA*, und Tsepo hat bei mir und uns sehr viele Prozesse angestoßen. Ich habe gezweifelt, wie weit es mit meiner Auseinandersetzung mit Rassismus her ist, ich war wütend, ich war überfordert, ich war berührt, ich war inspiriert und so viel mehr. Und: das Patriarchat ist auch von Rassismus die Basis – wen wundert‘s.

Fehlerfreundlichkeit

Zu guter Letzt habe ich mit meiner Mitbewohnerin Bettina auf einem großen feministsichen Netzwerktreffen zwei Austauschräume mit 130 Personen moderiert. Zweimal zwei Stunden zu einem von Generationenunterschieden, Klassismus, unterschiedlichen Verständnissen von Gender und akuter Betroffenheit von Sexismus geprägten Konflikt liegen hinter uns. Wir haben uns darauf konzentriert, als Basis für den Kontakt der Beteiligten untereinander Fehlerfreundlichkeit und Wohlwollen als innere Haltung zu etablieren. Es scheint gelandet zu sein. Am Ende haben nicht nur Bettina und ich vor Berührung geweint. Ich hoffe, auch dieser Prozess war ein Schritt auf dem Weg der Überwindung des Patriarchats.

Ganz bald: kommende Seminare!

Im Frühjahr und Herbst ist in Sachen Seminare viel los. Auf meiner Webseite habe ich jetzt auch Termine aufgeführt - zwei davon sind ganz bald und freuen sich über weitere Anmeldungen!

Gruppe & Konflikt

Vom 27.-29.10.2023 bieten Jana Light und ich das Seminar „Unsere Gruppe scheut Konflikte – und nun!?“ an. Wie sinnvoll ist es, „Konflikt“ in den Titel eines Seminars zu schreiben? Konflikte sind unangenehm und wer geht schon freiwillig zu einer Veranstaltung, bei der es um unangenehme Themen geht? Wenn das allerdings alle denken, dann ist das Ergebnis, dass Jana und ich regelmäßig als externe Konfliktmoderation von Gruppen angefragt werden. Wir haben dieses Seminar entwickelt, um Selbstwirksamkeit zu fördern und sowohl Konflikte vermeiden als auch konstruktiv mit ihnen umgehen zu lernen. Es gibt noch freie Plätze und wir freuen uns, wenn du den Hinweis auf das Seminar an mögliche Interessierte weitergibst!

Grüne Braune

Vom 03.-05.11.2023 biete ich mit Barbara Graf das Seminar „Grüne Braune? Wenn Rechtsextreme von Naturschutz reden“ an. Historische Zusammenhänge zwischen rechten Bewegungen und Naturschutz und Ökologie werden ebenso beleuchtet wie aktuelle Gruppierungen und ihre Bestrebungen. Für alle, die mit Ökologie- und Naturschutz-Themen zu tun haben und mehr über Verbindungen und Möglichkeiten zur Abgrenzungen wissen wollen, ist das Seminar hilfreich! Anmeldungen sind hier möglich.

Buchvorstellung: „Gemeinsam die Welt verändern – aber wie?“

Mir ist es nicht leicht gefallen, etwas zu dem Buch zu schreiben, weil es dicht ist und es viel dazu zu sagen gäbe...

Wissen & Erfahrung teilen

Meine Kollegin und Mitbewohnerin Eva Stützel hat vor wenigen Monaten ihr zweites Buch veröffentlicht. Es heißt „Gemeinsam die Welt verändern – aber wie?“ und ist ein „Methodenhandbuch mit Bonusmaterial“ geworden und allen zu empfehlen, die Teil von selbstorganisierten Gruppen sind und Inspirationen für das Miteinander suchen!

In gut verständlichem Layout kommt es daher und stellt entlang des von ihr entwickelten „Gemeinschaftskompass“ eine große Bandbreite von Methoden vor. Die Beschreibung der Methoden ist jeweils identisch aufgebaut: eine übersichtliche Darstellung zeigt auf einen Blick, wie lang die Methode dauert, für wie viele Menschen sie geeignet ist, welches Vertrauen sie voraussetzt, etc. Die Methodenbeschreibung selbst ermöglicht die Durchführung ebenso wie die Anleitung.

Es gibt Beschreibungen für Methoden, die bei der Visionsentwicklung hilfreich sind, solche, die beim Klären gemeinsamer Ziele unterstützen, Methoden, die ein vertrauensvolles Miteinander fördern und Feedback geben unterstützen sowie für offene Diskussionen, Aufgabenteilung, Entscheidungsfindung und vieles mehr. Darüber hinaus enthält es kleine Geschichten, die genutzt werden können um auf in Gruppen und Teams wiederkehrende Themen über Metaphern einzugehen sowie einige grundlegende Texte.

Seit 30 Jahren erlebe ich Eva im Dienst einer besseren Welt. In diesem Buch stellt sie ihre breite und tiefe Erfahrung zur Verfügung und ermöglicht Gruppen und Projekten so, noch besser entsprechend ihrer Ziele zu handeln. Einen Teil der Methoden gibt es auf ihrer Webseite kostenlos zum Download.

Meine Einschätzung ist, dass dieses Buch ein vielgenutztes Nachschlagewerk in selbstorganisierten Gruppen und Teams wird und sie bei der Zusammenarbeit unterstützen wird. Die Hinweise auf z.B. Embodiment, Konflikte, Umgang mit Stressreaktionen empfehle ich dabei unbedingt selbständig zu vertiefen!

Lieblingspodcast: „For The Wild“

In meinem Leben gibt es nicht viele Tätigkeiten, die mir ermöglichen, mich auf das Hören von Podcasts zu konzentrieren. Nichtsdestotrotz habe ich im Laufe der Jahre immer wieder die Zeit gefunden (siehe Newsletter Nr. 1).

Eine Sammlung des Anthropozäns

Der erste Podcast, der mir von einem Freund empfohlen wurde und der seit dem mein absoluter Lieblingspodcast ist, heißt „For The Wild“. Ayana Young und Team führen Gespräche mit Personen, die sich für soziale Gerechtigkeit, Naturverbindung oder ganzheitlichen Umgang mit Krisen einsetzen oder solchen, die gegen rassistische Umweltpolitik kämpfen oder sich mit Männlichkeit auseinandersetzen. Die Selbstbeschreibung ist

An Anthology of the Anthropocene - Focused on land-based protection, co-liberation and intersectional storytelling rooted in a paradigm shift away from human supremacy, endless growth and consumerism.“

Eins der berührendsten Gespräche, das ich in den letzten Jahren gehört habe, hat den Titel „Unruly Beauty“ mit Alok. Eins der tiefsten Gespräche war „Slowing down in urgent times“ mit Báyò Akómoláfé. Ich habe große Hochachtung vor dem Team von For The Wild mit seiner umfangreichen inhaltlichen Vorbereitung auf die Gespräche und seinen tiefen Fragen. Und ich bin dankbar für die globalen und alles Leben umfassenden Perspektive und für die immer stimmige Musikauswahl von wenig bekannten Künstler*innen. Hört mal rein!

Das war es, wovon ich dir dieses Mal berichten wollte. Es gäbe noch so viel mehr zu schreiben – aber wer will das schon lesen und dieser Newsletter ist schon wieder viel länger als gedacht…

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